Theaterverzeichnis

Neue Spielzeit 2013 / 2014


Volkstheater - ganz global

Wer heutzutage noch behauptet, die Theater von Deutschland kümmerten sich nicht um die Nähe zum Publikum, muss schon sehr lange nicht mehr im Theater gewesen sein. Insbesondere die Schauspielhäuser haben das Image der moralischen Lehranstalt längst hinter sich gelassen. Sie gehen gemeinsam mit dem Publikum auf Experimentier- und Erkundungsreisen.




Bühne frei - für freie und für unfreie Bürger

Die städtischen Bühnen Deutschlands verstehen sich immer häufiger als kulturelles Podium, das nicht nur Profikünstlern den Schritt auf die Bühne erlaubt.
Seit Regisseure wie Volker Lösch oder das Theaterkollektiv Rimini-Protokoll in großem Stil mit Laien inszenierten, finden immer mehr Theater interessante Konzepte zur sinnvollen Einbindung von "Nichtprofis". Hier ein paar Beispiele:

In der Interimsspielstätte des Kölner Theaters werden im kommenden Jahr zirka hundert Rentner an einem Projekt zur 7000-Jahrfeier von Köln beteiligt. Ein zweites Kölner Projekt entwickelt ein Stück zu den Folgen eines NSU-Terroranschlags in Zusammenarbeit mit den Nachbarn des Tatorts.
Besonders brisant wird die Überschneidung von dramatischem Stoff und persönlicher Lebensrelevanz im Hamlet-Projekt des Nationaltheaters Mannheims. Die Darsteller der Mörder und Intriganten Shakespeares sind Häftlinge der Mannheimer Vollzugsanstalt.

Immer mehr Stadttheater unterstützen im Übrigen die Gründung einer Bürgerbühne. Beide Seiten profitieren davon, wenn die Helden des Alltags ins Spiel gebracht werden. Das Künstlertheater rückt deutlich näher an das Publikum heran, und die Amateur-Akteure teilen das Privileg, an einem kreativen Prozess teilzunehmen. Schauen Sie doch mal, ob es auch in Ihrer Nähe ein Theater gibt, das zum Mitspielen einlädt.

Das Theater als außerparlamentarische Demokratie-Anstalt

Globale wirtschaftliche Entwicklungen und politische Prozesse greifen immer stärker in gewohnte Strukturen ein, sie verändern Stück um Stück unsere Welt. Doch wo haben wir eigentlich die Möglichkeit zur öffentlichen Diskussion über das, was uns alle angeht?
Immer mehr Theater verlassen die Begrenzung der reinen Spielstätte und nutzen den Musentempel zur basisdemokratischen Volksversammlung.
Unter der Intendanz von Karin Beier, die in dieser Spielzeit nach Hamburg kommt, wird das dortige Schauspielhaus Teil eines globalen Theaternetzwerkes.
Im Zentrum der Projekte steht die Thematisierung und Diskussion globaler Krisenthemen.

Das aktuelle Projekt "Hunger for Trade" stellt sich einer der brisantesten Fragen, die uns alle angehen: Wie kommt der Hunger in eine Welt, die eigentlich vor Überfluss überquillt? Die Theaterprojekte aus allen Regionen der Welt werden nach und nach auch in Hamburg vorgestellt, das Publikum wird zur Diskussion geladen.

Ebenfalls auf globaler Ebene beteiligen sich die Münchner Kammerspiele an einem internationalen Konferenzprojekt zum Thema Arbeit und Leistungsverständnis.
Worldwide Work: Warum arbeiten wir? In öffentlichen Live-Schaltungen kann das Münchner Publikum Arbeitswelten auf allen Kontinenten vergleichen, Sinnfragen stellen und im Vergleich wohl auch die eigene Position im globalen Wirtschaftssystem erkennen.

Der Vergleich von Lebenswelten steht auch in einem weiteren Projekt der Münchner im Zentrum. Unter dem Titel "Niemandsland" werden Stadtführungen durch Viertel mit hohem Einwanderungsanteil unternommen. Der "dramatische Stoff" dieser Führungen sind die Geschichten der meist unbekannten Nachbarn. Ein spannendes Projekt, um den Begriff Integration einmal andersherum aufzuziehen.

In keiner anderen Spielstätte ist globales Selbstverständnis so zur Hausmarke geworden wie in den drei Häusern am Halleschen Ufer in Berlin, HAU 1 bis 3.
Der nahe Osten, die arabischen Staaten oder Südafrika liefern nicht nur thematische Schwerpunkte für Theaterprojekte. Das Berliner Theaterprojekt holt sich Künstler und Akteure aus allen Kulturen. Die Sehnsucht nach Bedeutung spricht aus jedem Programmpunkt des neuen Spielplans. Ob sie erfüllt werden kann, auch das ist ein Schwerpunktthema für ein neues Projekt - Phantasma und Politik. Inwieweit kann Theater politisch wirksam sein? Eine spannende Frage, zu deren Klärung die kommende Spielzeit in ganz Deutschland beitragen dürfte.

Theater mit allen Mitteln

Auch in anderer Hinsicht drängt es die Theater aus konventionellen Grenzen heraus. So gewinnt das eine oder andere neue Projekt durch die Kooperation mit theaterfremden anderen Sparten.
In Hamburg wird das Ensemble Resonanz mit Neuer Musik zu einer Inszenierung beitragen. In Köln, wo jetzt Stefan Bachmann das Haus leitet, gibt es einen Theaterabend über die neudeutsche Malerlegende Kippenberger.
Ein theaterinterner Genre-Sprung ist auch die Verwendung eines Essays der Dramatikerin Elfriede Jelinek im Musiktheater. Auf die Inszenierung ihres Textes Rein Gold darf man gespannt sein. Er lehnt sich an Wagners Rheingold an und wird von Nicolas Steman im Opernformat an der Deutschen Oper Berlin auf die Bühne gebracht.

Theater und Natur

Grenzüberschreitungen in ganz räumlichem Sinne führen manch neues Theaterprojekt zurück zur Natur. Dabei fragt die Berliner Schaubühne gleich, wie so ein Zurück überhaupt aussehen könnte. Im Auftrag des Berliner Theaters lockt die Künstlergruppe Dorkypark ihr Publikum in den Müggelwald um hier noch bis zum 19. August das Projekt "Forest: The nature of crisis" zu präsentieren.
Auf der Suche nach neuem Sinn oder wenigstens "gedanklichen Parallelwelten" folgt man in der Nähe von Dresden einem alten Ehepaar auf seiner Zivilisationsflucht durch das Elbsandsteingebirge. Das Projekt "Wildnis" ist zudem ein Werk der Dresdner Bürgerbühne, die sich vom Theaterkollektiv "Aspik" anleiten lässt.

In Leipzig geht man die Spielstätte "Natur" etwas pragmatischer an. Um Moglis Erlebnisse mit Tiger, Schlange und Bär aus dem Dschungelbuch zu erzählen, hat man den Leipziger Zoo zur Kulisse erkoren.

Neue Stücke junger Autoren

An neuen Stoffen und Stücken mangelt es der deutschen Theaterlandschaft schon lange nicht mehr. So gut wie alle größeren Stadttheater und Schauspielhäuser haben Ur- bzw. deutsche Erstaufführungen von Texten zeitgenössischer Autoren im neuen Programm. Einige werden womöglich schon sehnsüchtig erwartet, wie etwa die neue Arbeit von Sybille Berg, die zunächst in Stuttgart und dann in Leipzig inszeniert wird.
In "Angst reist mit" darf typisch Bergsches Personal beim Aussteiger-Urlaub beobachtet werden, wobei schon zu erwarten ist, dass der vermeintliche Ausweg geradewegs ins Zentrum der Krise führt und selbst globale Konflikte in zutiefst menschliche Desaster münden.

Auch neuere Autoren wie Ferdinand Schmal greifen in Stücken wie etwa "Am Beispiel der Butter" den Trend auf, globale Krisenthemen im Unglück von Einzelnen widerzuspiegeln.

Nach wie vor liefern große klassische Romane Vorlagen für neue Theatermanuskripte. Etwa Dostojewskis Schuld und Sühne am DNT Weimar. Doch auch die Stoffe jüngerer Buch-Autoren finden immer schneller ihren Umschlag auf die Bühne. Bestes Beispiel ist der sensationelle Erfolg von "Tschick" in der letzten Saison. Im Nationaltheater Weimar widmet man sich der Dramatisierung hervorragender ostdeutscher Roman-Autoren in diesem Jahr im Familienpaket. So kann man hier "Weiskerns Nachlass" von Christoph Hein auf der Bühne erleben und kurz darauf "Herr Jensen steigt aus" nach dem Buch von Sohn Jakob.

Und noch viel mehr...

Die genannten Inszenierungen und Projekte geben nur punktuelle Einsichten in die vielfältigen Vorhaben der Theater in Deutschland. Dabei wurde nicht einmal die große Landschaft der kleinen, privaten und freien Bühnen berücksichtigt. Auch hier wird in dieser Saison mit Sicherheit wieder viel Neues und Spannendes realisiert.
Auch die Opernhäuser warten mit zahlreichen Premieren und rauschenden Inszenierungen auf, auf die wir hier nicht näher eingehen können.

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