Theaterverzeichnis

Zwischen Klassik und Revolution, die Spielzeit 2009/2010


Schauspielhaus in Hamburg Die neue Spielzeit steht im Zeichen des Intendantenwechsels. Ob das aber auch in jedes Theater frischen Wind bringt, bleibt abzuwarten. Während sich viele Theater immer offensiver in die aktuelle Politik einmischen, scheinen sich andere Häuser endgültig in der Welt der Klassik und der renommierten Namen einzurichten.




Das Intendantenkarussell

In der neuen Spielzeit wechseln viele namhafte Intendanten die Häuser: Regisseur Matthias Hartmann, der bisher die Theater in Bochum und Zürich leitete, geht nach Wien ans Burgtheater. Sein Intendantensessel in Zürich wird von Barbara Frey besetzt, die bisher als freie Regisseurin bekannt war. Joachim Lux hat Wien derweil als Chefdramaturg verlassen, um im Thalia Theater Hamburg erstmals als Intendant zu fungieren. Ulrich Khuon, der bisherige Thalia-Intendant ist dagegen Chef des Deutschen Theaters in Berlin geworden. Sein Vorgänger Oliver Reese wechselte nach Frankfurt am Main. Auch im Osten des Landes bewegt sich Einiges. Tobias Wellemeyer, bisher Magdeburger Intendant, ging nach Potsdam, aus Hannover ist Wilfried Schultz nach Dresden gekommen.
Ein Intendant, der für seine Wechsel berühmt wurde, ist in diesem Jahr aus diesem Reigen ausgestiegen. Frank Baumbauer hat gerade die Münchner Kammerspiele zum Titel „Theater des Jahres“ geführt und beendet nun seine Intendantenkarriere. „Bevor es zu spät ist“, wie er selbst sagt.

Neue Theaterstücke

Thalia Theater Hamburg Elfriede Jelinek, bekannt für ihre radikalen Reaktionen auf die Schwachstellen der Gesellschaft, hat nicht lange gezögert, um über das Scheitern der Finanzinstitute ihre eigene Abrechnung zu schreiben. „Die Kontrakte des Kaufmanns“ sind eine Anklage an die Gier des Finanzkapitals und stellen auch dessen Opfer auf die Bühne. Ein halbes Jahr nach der erfolgreichen Uraufführung in Köln hat das Stück nun im neu besetzten Thalia-Theater Hamburg Premiere. Ähnlich schonungslos und doch ganz anders geht Lukas Bärfuß mit seinem neuen Stück „Öl“ am Deutschen Theater Berlin der Frage nach globalisierten Machtverhältnissen nach. Das Nationaltheater Mannheim bleibt weiterhin seinem guten Ruf als Bühne für neue Dramatik treu. Nachwuchsautor des Jahres 2008 Ewald Palmetshofer nimmt die modernen Medien nach einem klassischem Muster aufs Korn. Die Kindsmörderin „Grete“ wird in seinem Stück nicht auf’s Schafott gezerrt, dafür aber noch während der Tat vom Reality-TV gefilmt.

http://www.thalia-theater.de
http://www.deutschestheater.de
http://www.nationaltheater-mannheim.de

Literaturadaptionen

Auch erfolgreiche Romane, die ihre Gültigkeit für die gesellschaftlichen Probleme von heute besitzen, werden von den Theatern entdeckt bzw. wiederentdeckt. Der Dramaturg des Deutschen Theaters John von Düffel hat Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ als Bühnenfassung bearbeitet, nachdem er zuvor Emile Zolas hochaktuellen Klassiker „Das Geld“ in Düsseldorf bühnenreif geschrieben hat. Gespannt darf man auch auf die Bühnenfassung des Paul Auster Werkes „Stadt aus Glas“ sein, die in Frankfurt am Main uraufgeführt wird. Das Verwirrspiel um Kriminalität und Identität in modernen Zeiten wird von Bettina Bruinier inszeniert. Geboren 1975 zählt sie zu den jüngsten und radikalsten Regiehoffnungen im deutschen Theater.

http://www.duesseldorfer-schauspielhaus.de
http://www.schauspielfrankfurt.de

Klassiker neu entdeckt

Ein klassisches Stück, am besten inszeniert und verkörpert von namhaften Regisseuren und Schauspielern, gibt immer noch die besten Antworten auf die Fragen der Zeit, so lautet eine These und eine Reihe großer und kleiner Theater folgen diesem Konzept in der neuen Spielzeit ziemlich eindeutig. Darunter auch Bühnen, die bisher nicht gerade fürs Konventionelle berühmt geworden sind wie das Berliner Ensemble und das Dresdner Staatsschauspiel. Hier gibt es in diesem Jahr gar keine Premieren zeitgenössischer Autoren. Aber auch im klassischen Schauspiel passt sich die Auswahl der Stücke den aktuellen Zeitläufen an. So wurde zum Beispiel Shakespeares „König Lear“ von mehreren Theatern gleichzeitig neu entdeckt. Der König, der Loyalität und Machtgier nicht mehr voneinander unterscheiden kann, scheint ein aktuelles Phänomen zu verkörpern. Er kommt u.a. in Göttingen, Bochum, Wuppertal und Karlsruhe auf die Bühne.

Im Rampenlicht: Die Gegenwart

Ganz anders dagegen geht es in den Münchner Kammerspielen zu. Das Theater, das 2009 Theater des Jahres wurde, manövriert sich mit seinem gesamten Programm mitten hinein in die Krisengesellschaft von heute. Zum einen konzentriert sich die Stückauswahl gezielt auf die brisanten Themen Krieg, Macht, unkontrollierte Gewalt und inszeniert Stücke der jüngeren Autorengenerationen, zum anderen fördern verschiedene Formate die direkte Auseinandersetzung mit dem Publikum. Inszenierungen mit Zuschauerbeteiligung, öffentliche Diskussionen aber auch direkte Reaktionen auf die Münchner Tagespolitik machen das Theater zur öffentlichen Streitarena für die aktuellen Fragen der Zeit.
http://www.muenchner-kammerspiele.de

Laien auf die Bühne

Mit Volker Lösch und seinen Laienchören hat Dresden bereits einen gewissen Ruf als Theater der Laiendarsteller. Auf Lösch folgt nun der junge Regisseur Marc Prätsch, der mit 20 jugendlichen Laiendarstellern zwischen 12 und 24 Jahren arbeiten wird. Im klassik-intensiven Programm von Dresden werden sie „Die Nibelungen“ darstellen, dabei aber noch mehr zu tun haben als Sprecher in einem Lösch-Chor. Prätsch wurde für seine aufsehenerregenden Inszenierungen jugendlicher Darsteller bereits mehrfach ausgezeichnet.

http://www.staatsschauspiel-dresden.de

Das Theater befragt sich selbst

Wächst die Bedeutung des Theaters in gesellschaftlichen Krisen oder ist das Theater selbst in der Krise? An der Berliner Schaubühne wird es in der neuen Spielzeit eine Serie geben, die solche Fragen öffentlich verfolgt. Bekannte Theaterstücke werden fragmentarisch aufgeführt und bereits während ihrer Aufführung hinterfragt, wozu ein wiederauferstandener kritischer Friedrich Schiller beitragen wird. In vier verschiedenen Folgen kann der Zuschauer so während des Theaterbesuchs über die Wirksamkeit von Theater nachdenken.
http://www.schaubuehne.de

Das Theater als Identitätsstifter

Was sind die Deutschen nun wirklich - Dichter und Denker oder Richter und Henker? Nirgendwo in Deutschland drängt sich diese Frage so zwingend auf wie in Weimar, der Klassikerstadt mit dem größten einstigen KZ auf deutschem Boden. In dem Projekt „Heimkehrer/Heimwerker – Studie zur deutschen Seele“ am Nationaltheater Weimar erarbeiten eine Autorin, eine Regisseurin und ein Schauspieler-Ensemble gemeinsam ein Bühnenprojekt, das Einblicke in das menschliche Rätsel der Deutschen bringen soll. Das Ergebnis hat am 1. Oktober Premiere.
http://www.nationaltheater-weimar.de/

Neue Operninszenierungen

Wer wissen möchte, welche neuen Operninszenierungen im deutschen Musiktheater erarbeitet werden, kann dazu auf die Internetseite der Zeitschrift „Opernwelt“ gehen. Hier findet man eine Übersicht über alle Opernpremieren der neuen Spielzeit.
http://www.opernwelt.de

Wenn auch Sie die spektakulären Ereignisse in Deutschlands Theatern nicht verpassen wollen, bleiben Sie dran! Auf unseren Seiten finden Sie mit Sicherheit eine spannende Inszenierung ganz in Ihrer Nähe.




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