Theaterverzeichnis

Rückblick Spielzeit 2013 - 2014


Statistische Erhebungen bescheinigen den Deutschen Theatern einen jährlichen Zulauf von ca. 35 Millionen Besuchern.




Theaterkunst zum Festjubiläum

theater Der Publikumszuspruch hält sich konstant und das ist einigermaßen erstaunlich, denn man kann dem deutschen Theater ganz sicher keine mangelnde Experimentierfreude vorwerfen. Aber vielleicht ist es ja gerade das gewisse Risiko, das auch die Neugier des Publikums wach hält. Von Spielzeit zu Spielzeit lassen sich immer wieder neue Trends beobachten.
Und das ist ja vielleicht auch die einzige Chance, den Theaternachwuchs zu erreichen, der auch noch in Zukunft die Saalreihen füllen soll.

Vor allem mit der Öffnung zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Problemen und mit der Verwendung neuer Erzählformen scheint man das jüngere Publikum zu erreichen.
Bestes Beispiel hierfür ist das Maxim Gorki Theater Berlin. Es hat nicht nur eine besonders junge Intendanz, sondern auch ein zweigeschlechtliches Intendantenteam, und mit der türkischstämmigen Shermin Langhoff ein weiteres Novum in deutschen Intendantenbüros. Sie ist der bzw. die erste Deutsche "mit Migrationshintergrund", die ein deutsches Theater leitet.
Dabei scheinen die Eigenschaften "jung" und "multikulturell" Komponenten für eine Erfolgsgeschichte zu sein. Der Spielplan des Maxim-Gorki-Theaters füllte sich unter der neuen Intendanz mit lebensnahen Aufführungen zu brisanten Themen. So wird etwa ein klassisches Stück wie "Der Kirschgarten" zum Berliner Migranten-Spiel und bezieht persönliche Erfahrungen der beteiligten Schauspieler mit ein. Das trifft nicht unbedingt auf einhellige Zustimmung, sorgt aber für lebhafte Diskussionen und die wiederum füllen das Theater. Und das schließlich führte am Ende der S pielzeit zur Auszeichnung "Theater des Jahres", verliehen von der Fachzeitschrift "Theater heute".

Neue Wege im Theater wurden auch mit Einladungen zum Berliner Theatertreffen belohnt. Die Auszeichnung "beste Inszenierung" erhielt "Fegefeuer in Ingolstadt" unter der Regie von Susanne Kennedy an den Münchner Kammerspielen.
Die künstlerische Leistung der Schauspieler bestand hier im scheinbar exakten Sprechen, während der wahre Ton von einem Playback-Band kam. Mehr Verfremdung geht kaum noch.
Als äußerst eigenwillig kann man auch "Die Geschichte von Kaspar Hauser", inszeniert am Schauspielhaus Zürich, bezeichnen. Im "originalgetreuen" Biedermeier-Ambiente agieren hier als Erwachsene ausstaffierte Kinder, unter der Lenkung unsichtbarer erwachsener Schauspieler. So schaut man zu, wie lebende Marionetten den Kind-gebliebenen Erwachsenen Kaspar Hauser zivilisieren wollen. Auch dieser Theaterabend wurde unter die zehn besten des Jahres gewählt.
Eigenwillige Neuinterpretationen klassischer oder zumindest bewährter Stoffe machen einen großen Teil des Theatererfolges auf deutschen Bühnen aus. So sind auch die Vorstellungen von Onkel Wanja in Stuttgart ein Publikumsmagnet geworden, und das auf fast leerer Bühne mit kargem, aber überklaren Bühnenbild. Robert Bergmann, so lobt die Jury des Berliner Theatertreffens, beweist Mut zur Entschleunigung und läuft doch nie Gefahr zu langweilen.

Im Kampf gegen die Langeweile hat ein kleines Kammerspiel einen spektakulären Siegeszug durchlaufen. Noch nie wurde im deutschsprachigen Raum ein Theaterstück so oft in einer Theatersaison aufgeführt wie das Stück "Tschick" in der Spielzeit 2013 / 2014. Die Geschichte von zwei Halbwüchsigen, die der Langeweile in den Ferien entfliehen wollen und dabei ziellos durch die ostdeutsche Provinz kurven, brachte es auf 764 Aufführungen. So viel haben nicht einmal Stücke von Goethe oder Schiller in einem Jahr geschafft.
Dabei ist "Tschick" gar nicht als Theaterstück entstanden, sondern die dramaturgische Bearbeitung des Roman-Bestsellers "Tschick", der ursprünglich als Jugendroman veröffentlicht wurde, aber die Herzen erwachsener Leser im Sturm eroberte. Einziger bitterer Beigeschmack in dieser unglaublichen Erfolgsgeschichte ist der Umstand, dass der Autor Wolfgang Herrndorf, nach seinem Tod im August 2013 nichts mehr von diesem Rekord mitbekommt.

Eine posthume Ehrung gab es auch für Dimiter Gotscheff, der die Inszenierung "Zement" kurz vor seinem Tod beendete. Seine Arbeit wurde mit mehreren Titeln und Preisen ausgezeichnet.

Das Theaterstück des Jahres 2013 heißt, nach einer Umfrage der Fachzeitschrift "Theater heute": "Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen", und wurde am Maxim Gorki Theater Berlin aufgeführt. Wie Herrndorf ist auch diese Autorin weniger für ihre Theaterstücke berühmt. Die meisten kennen Sybille Berg als Verfasserin von drastisch lakonischen Büchern oder Spiegel-Kolumnen. Ihr Text ist eigentlich auch gar kein Stück im klassischen Sinne, sondern ein Monolog, der in Berlin von vier Frauen gesprochen wird - das aber so virtuell und pointiert, dass das gesamte Bergsche Sprachuniversum zur Entfaltung kommt. Und das sind vor allem die ungeschönten Ansichten einer Frau, die ihrem Genervt-Sein über unsere Welt freien Lauf lässt.

Reflexionen über Schräges, Absurdes, Grausames unserer "modernen Zeiten" waren in der letzten Spielzeit Bestandteil vieler Spielpläne. So versuchte sich etwa die Schaubühne Berlin an einem Theaterstück über virtuelle Kommunikation.
Das Theaterprojekt "Rimini-Protokoll" hat mit dem wohl brisantesten Thema von heute ein neues Theater-Kapitel aufgeschlagen. In einer Überschneidung von realen und virtuellen Räumen erkunden die Theatergäste zehn Lebenssituationen, die sich alle um das Thema Waffen drehen. Der Zuschauer lebt quasi die Rolle des Akteurs nach und begibt sich von einem "Situation-Room" zum nächsten. Ein gewagter Versuch, ein hochemotionales Thema in seiner Komplexität zu erfassen, der ebenfalls mit einer Einladung nach Berlin honoriert wurde.

Bei so viel politischer Brisanz auf deutschen Bühnen wundert es nicht, dass die Theater sich auch zunehmend zur politischen Institution wandeln. In Hamburg etwa, wo das Thalia-Theater sich offen mit der Flüchtlingsgruppe Lampedusa solidarisiert und Bürgermeister Scholz zu einer Stellungnahme auf die Bühne bittet.
Auch im Hamburger Schauspielhaus geht es hoch politisch zu, wenn Strategiespiele mit dem Publikum internationale Politik nachgestalten und damit soziale Prozesse aus übermächtigen Verhandlungsräumen nahe bringen.

Alles in allem hat auch die letzte Spielzeit wieder gezeigt, dass es den Theatern in Deutschland immer wieder gelingt, eine wichtige gesellschaftliche Rolle einzunehmen und sich dafür auch immer wieder neue Wege und Spielformen zu suchen.
Eine erfolgreiche Spielzeit, die auf die Fortsetzung in der nächsten Saison neugierig macht.

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